Bodensanierung
Recycling direkt auf der Baustelle
Wir errichten unser neues Werk in Offenbach auf einem Gelände mit einer langen industriellen Geschichte. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden hier synthetische Farben und Teer hergestellt. In den 1960er Jahren folgte die Produktion von Polyestergrundstoffen, bevor in den 1990er Jahren die Firma Clariant den Standort übernahm und bis 2009 nutzte. Die jahrzehntelange industrielle Nutzung hat ihre Spuren hinterlassen – in einigen Bereichen erfordert der Boden noch heute eine sorgfältige Sanierung.
Bevor wir mit dem Bau unserer neuen Gebäude beginnen konnten, haben wir den Boden von chemischen Rückständen befreit. Dabei legen wir besonderen Wert auf eine nachhaltige, ressourcenschonende und klimafreundliche Aufbereitung. Verschiedene Spezialmaschinen untersuchen und bearbeiten den Boden. Sie zerkleinern Betonfundamente und verarbeiten sie zu Schotter, der wiederverwendet wurde. Durch dieses Recyclingverfahren können wir einen Großteil der Erde erneut nutzen und sorgen so für eine nachhaltige Verwendung des Bodens.
Um CO₂-Emissionen zu reduzieren und die Umwelt zu schonen, findet die Bodensanierung direkt auf der Baustelle statt. So minimieren wir den Transportaufwand und senken den Bedarf an Lkw-Fahrten erheblich.
Mit dieser umweltschonenden Sanierung stellen wir sicher, dass unser Grundstück nicht nur heute, sondern auch in Zukunft verantwortungsvoll genutzt werden kann.
Ein Ort für Innovation und Experimentierfreude
Autorin und Stadtführerin Ida Todisco über die Vergangenheit und Zukunft des Innovationscampus.
Frau Todisco, was genau ist der Innovationscampus in Offenbach?
Ida Todisco: Der Innovationscampus befindet sich auf dem ehemaligen Gelände der Firma Clariant und ist mit 36 Hektar die größte innerstädtische Entwicklungsfläche im Rhein-Main-Gebiet. Nach Jahren des Leerstands wird das Gelände nun von der Stadt Offenbach zu einem zukunftsorientierten Gewerbestandort entwickelt.

Das ehemalige Gelände von Clariant hat eine lange und spannende Geschichte, die bis ins Jahr 1842 reicht. In dieser Zeit nahm die Chemieproduktion in Offenbach ihren Anfang. Können Sie diese historische Entwicklung einmal skizzieren?
Ja, gerne! 1842 gründete der Chemiker Dr. Ernst Sell hier eine kleine „Teerdestillation und Asphalt-Fabrik“, die den Grundstein für die Chemieproduktion legte. Er entwickelte hier anfänglich hauptsächlich Produkte wie Mottenpulver und Desinfektionsmittel, bevor er das Werk aufgrund gesundheitlicher Probleme verkaufte. Die Familie Oehler übernahm 1850 und baute die Produktion von synthetischen Farben weiter aus. Darunter auch die berühmten Blau-Farbstoffe aus Anilin (1962). In dieser Zeit wurden hier viele Patente angemeldet, die weltweit von Bedeutung waren. Dieser Ort war zu der Zeit ein Ort der Innovation, der Entwicklung, des Experimentierens. Dies führte zur Vergrößerung der Produktion und schaffte zahlreiche Arbeitsplätze.
Die Familie Oehler war auch sozial sehr fortschrittlich. Sie baute Wohnungen für ihre Mitarbeiter, die bis in die 1960er-Jahre standen und dann abgerissen wurden. Die Familie führte 1876, einige Jahre vor der gesetzlichen Krankversicherungspflicht, eine eigene Betriebskrankenkasse für ihre Mitarbeiter ein, unterstützte einen evangelischen Frauenverein und gründete eine Schule in Offenbach. 1905 übernahm Griesheim Elektron und entwickelte neue Verfahren, darunter licht- und wasserfeste Farben, die 1912 als „Naphtol AS“ Weltruhm erlangten. In den 1920er-Jahren wurde Griesheim Elektron Teil der IG Farbenindustrie AG.
Welche Rolle spielte die Chemieproduktion in Offenbach während des Zweiten Weltkriegs?
In den Kriegsjahren wurde das Gelände von der IG Farben genutzt und wie an vielen anderen Industriestandorten wurden auch hier Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt, hauptsächlich Frauen aus der Ukraine, Kaukasien und dem ehemaligen Jugoslawien, die in Baracken auf dem Gelände lebten.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Gelände unter Treuhandverwaltung gestellt und von der amerikanischen Regierung geführt. Da gibt es auch eine spannende Geschichte zum Offenbach Archival Depot (OAD), das auf dem Gelände nach dem Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern als Sammelstelle geraubter Gegenstände eingerichtet wurde. Ziel war es, die Eigentümer im In- und Ausland zu ermitteln und die Gegenstände wieder zurückzugeben. Zwischen 1945 und 1949 wurden über 3,5 Millionen Dokumente, Bücher, Kunstwerke, rituelle Gegenstände und persönlicher Schmuck in einem ehemaligen Gebäude der IG Farben untergebracht. Fachleute aus der ganzen Welt und Mitarbeiter recherchierten die Besitzverhältnisse und konnten dann fast 3 Millionen Bücher und Objekte ihren rechtmäßigen, vor allem jüdischen Besitzerinnern und Besitzern zurückerstatten. Auch die Offenbacher Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich an der Restitution der Raubgüter. 1949 wurde das Depot dann wieder aufgelöst.
Und wie ging es nach dem Zweiten Weltkrieg weiter?
Das Werk Offenbach wurde 1953 in die neugegründeten Farbwerke Hoechst integriert und stellte ab den 1960er-Jahren Polyestergrundstoffe her. Trevira ist ein Zauberwort jener Erfolgsjahre. In den 1990er-Jahren übernahm dann die Firma Clariant die Flächen. In den folgenden Jahrzehnten ging der Produktionsbetrieb immer mehr zurück. In den 2000er-Jahren wurden große Teile des Geländes stillgelegt und die Produktion zunehmend ins Ausland verlagert – nach Osteuropa, China und Indien, wo die Produktion zu deutlich niedrigeren Kosten erfolgte. Endgültig eingestellt wurde die Produktion in Offenbach 2009. Das Gelände lag zunächst brach, bevor die Stadt nach Lösungen suchte, wie es zukünftig genutzt werden könnte.
Das Clariant-Gelände wurde für nur 7 Millionen Euro an die Stadt Offenbach verkauft. Wie kam dieser vergleichsweise niedrige Preis zustande?
Ja, in der Tat. Der günstige Preis lag an der langjährigen chemischen Nutzung und der daraus resultierenden starken Verschmutzung des Bodens. Der Boden ist nach wie vor teilweise verseucht und kann an diesen Stellen nicht genutzt werden. Das bleibt eine zukünftige Aufgabe.
Eine wirklich ereignisreiche Industriegeschichte, auf der nun SAMSON aufbaut. Kommen wir zum Zukunftskonzept des Innovationscampus. Was ist geplant?
Der Innovationscampus soll nachhaltiges Wachstum und Industrieproduktion in Offenbach wieder ermöglichen. Die SAMSON AG zieht gerade von Frankfurt nach Offenbach um und auch das Biotech-Unternehmen BioSpring siedelt sich neu hier an. Außerdem ist ein Designpark geplant, in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Gestaltung (HfG), um einen kreativen Ort für den gesellschaftlichen und industriellen Wandel zu schaffen. Zudem sollen ehemalige Industriebauten für Start-ups als Büroräume genutzt werden. Die sich dann auch langfristig in Offenbach ansiedeln sollen. Cafés, Restaurants und grüne Aufenthaltsorte für die Bürger sollen auf dem Gelände entstehen. Und kulturelle Events finden statt. Bereits heute sind die Parkside Studios hier ansässig und die Stadt Offenbach organisiert im Sommer ein Kulturprogramm mit Open-Air-Konzerten, Weinfesten und Comedy. Einige Bereiche des Geländes bleiben vorerst unzugänglich, da der Boden noch mit Chemikalien belastet ist – darunter leider auch der parkartige Grünstreifen hinter dem Pelletwerk. In Zukunft könnten diese Geländeteile vielleicht auch noch zugänglich gemacht werden. Das wäre zu wünschen.
Ida Todisco ist Autorin und Kommunalpolitikerin in Offenbach. Sie hat unter anderem das Buch „Offenbach – Liebe auf den zweiten Blick: Ein Dutzend Entdeckungen in Texten und Bildern“ veröffentlicht, in dem sie besondere Orte und Geschichten ihrer Heimatstadt porträtiert. Zudem führt sie Stadtspaziergänge durch Offenbach, bei denen sie Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu persönlichen Lieblingsplätzen mitnimmt, und gibt Einblicke in die lokale Kultur und Geschichte.